Konsequenzen aus der «Zeitenwende» für die Hotelförderung


Der Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit SGH, Prof. Dr. Thomas Bieger, erwartet anspruchsvolle Zeiten für die Hotellerie und ihre Finanzierung. Die Coronapandemie und der Krieg in der Ukraine hätten sowohl die Lieferketten als auch das generelle Vertrauen der Menschen beschädigt. Bieger erwartet, dass wir uns auf eine unbestimmte, aber längere Zeit mit Inflation – und damit auch starkem Schweizerfranken einstellen müssen , wie er an der SGH-Generalversammlung erklärte. Wir zitieren hier Auszüge aus der Präsidialrede, die eine heraus­fordernde Zeit für die Hotellerie zeichnet.


«Die Infusionstherapie der Notenbanken für die globale und insbesondere europä­ische Wirtschaft wurde während Corona verstärkt fortgesetzt. Ungleichgewichte in Form von Staatsverschuldung oder Vermögenspreisinflation im Immobilienmarkt nahmen zu, im Tourismus insbesondere spürbar am massiven Wachstum bei den Preisen für Zweitwohnungen. Wir alle ­wissen, dass sich wirtschaftliche Ungleichgewichte lange und kaum merklich aufbauen können. Wie tektonische Platten, die sich lange Zeit ohne Erdbeben verschieben können, bis dann genügend Energie aufgestaut ist und das Erdbeben kommt. Aber langfristig setzen sich die ökonomischen Gesetze durch. Nur weiss niemand, wann ‹langfristig› ist.»

«Mit der Notenbankpolitik der inzwischen letzten 15 Jahre hat sich eine riesige Geldblase aufgebaut und damit die Grundlage für eine Inflation geschaffen, die irgendwann zu erwarten war.»


Wie lange wird die Inflation dauern?

«Preisstabilität herrscht dann, wenn die Menschen aufgehört haben, über die Inflation zu reden», zitiert Bieger den amerikanischen Ökonomen und ehemaligen Vizepräsidenten der US-Zentralbank (FED) Alan Blinder. Auf die aktuelle Situation übertragen sagte Bieger: «Das dürfte erst der Fall sein, wenn die Notenbanken und die Regierungen und die Supply Chains wieder Vertrauen aufgebaut haben. Und das dürfte nur der Fall sein, wenn eben die Notenbankgeldmenge und die Verschuldung zurückgefahren worden sind oder glaubhaft zurückgefahren werden. Das wirkt sich bremsend auf die Wirtschaft aus.»


Die Folgen des Ukraine-Krieges, «die sogenannte Zeitenwende» erfordert zudem hö­­here Verteidigungsausgaben; die Kosten für die Verzinsung der Staatsschulden oder die teurere Produktion von Schlüsselprodukten (Mikrochips, Masken etc.) wieder in der Nähe tragen nicht zu wirtschaftlichem Wachstum bei. «Damit wären wir dann bei der Stagnation, die sich dann eben zur Stagflation kombiniert. Kurzum, wir müssen uns auf eine unbestimmte, aber längere Zeit mit Inflation – und damit auch starkem Schweizerfranken einstellen.»

as bedeutet die Inflation für die Hotellerie?

«Die Inflation entwertet Kredite und zahlt so quasi Darlehen automatisch zurück. Vorerst führt die Inflation jedoch zu höheren Zinsen, die durch entsprechende Er­­träge finanziert werden müssen. Dies ist in einer Stagflation schwieriger. Die SGH hat die gesetzliche Auflage, Darlehen zu möglichst günstigen Zinsen anzubieten, was bei steigenden Zinsen wieder wichtiger wird.» Trotz der unerfreulichen Situation braucht es weiterhin Investitionen in der Hotellerie (Nachhaltigkeit, Produktivität, Attraktivität der Angebote etc.) und damit auch subsidiäre SGH-Finanzierungen. So können im Tourismusmarkt allenfalls höhere Preise durchgesetzt werden.

«Stagflation wirkt sich insgesamt auf die Bewertung von Hotels aus. Die zukünftigen Cash-Flows sind diskontiert einfach weniger wert.» Der Unternehmenswert ist eine zentrale Grösse, um die Höhe von Kundendarlehen zu bestimmen. Heute dürfen SGH-Darlehen – zusammen mit vorrangigen Fremdfinanzierungen – den Ertragswert eines Hotels nicht überschreiten. Die SGH hat dazu eine Studie in Auftrag geben, welche die gegenwärtig angewandte Bewertungsmethoden (auch vor dem Hintergrund der Inflation) überprüft. Autor der Studie «Überprüfung der Be­­wertungssystematik der SGH» ist Prof. Dr. Philipp Lütolf, Dozent am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern. Eine Kurzfassung der Un­­ter­suchung kann abgerufen werden unter www.sgh.ch.

«Letztes Jahr hätten wir unter normalen Bedingungen an unserer GV das 100-Jahr-Jubiläum gefeiert. Die Hotelförderung hat verschiedene Konjunktur- und Infla­tionszyklen erlebt. Und die SGH möchte auch im sich jetzt abzeichnenden Zyklus eine verlässliche Partnerin der Beherbergungswirtschaft sein.»

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