Was, wenn der Gast zu viel verlangt?

«Hotelier»-Fachautorin Monica Schori über den Umgang mit hohen Gästeerwartungen Wir leben in einer herausfordernden Zeit. Die Nerven sind oft strapaziert, und der Umgangston ist teilweise rauer geworden. Corona lässt grüssen. Diese Entwicklung macht auch vor der Hotellerie nicht halt. Gäste äussern sich spontaner, oft auch undiplomatischer. Und viele Hoteliers und Gastgeber sind belasteter und dünn­häutiger. Was tun?

Einerseits wollen die Gäste zufriedengestellt werden, andererseits soll die eigene Motivation nicht leiden. Und vor allem sollen engagierte Mitarbeitende der Branche erhalten bleiben. Fest steht: Wer Gästewünsche analysiert und in Gruppen unterteilt, kann diesen gelassener begegnen. Da­­­zu ergeben folgende Fragen Sinn:



1. Entsprechen die geäusserten Erwartungen der Positionierung unseres Betriebes?

Jeder Betrieb hat ein Profil, das heisst, man hat sich überlegt, was man für wen bieten kann und möchte – und hoffentlich auch, was nicht! Je klarer diese Positionierung ist, je überzeugter man von Qualität und dem eigenen Preis-Leistungs-Verhältnis sein kann, desto sicherer kann dies den Gästen gegenüber vertreten werden. Dies ist besonders hilfreich, wenn Gäste unterschiedlichste Hotels miteinander vergleichen: Die günstige Pension hat nicht die gleichen Möglichkeiten wie das Vier-Sterne-Hotel im Nachbardorf, der inländische Luxusbetrieb nicht wie die Hotels der gleichen Kategorie im Südtirol oder fernen Osten. Aber: Nicht erfüllbare Erwartungen dürfen, verständnisvoll und höflich, ohne schlechtes Gewissen als solche deklariert werden.


Die mit dem eigenen Segment verbundenen Leistungs- und Qualitätsversprechen sollten jedoch verbindlich sein. Konnten diese nicht eingehalten werden, haben die Gäste das Recht, ihre Unzufriedenheit, natürlich mit dem gebührenden Anstand, zu äussern.


In solchen Momenten geht es darum, Fehler einzugestehen und sich nach Kräften zu bemühen, den entstandenen negativen Eindruck zu beheben.



2. Entsprechen die Erwartungen einer unentgeltlichen «Extrameile», die wir freiwillig und gerne gehen können?

Die meisten Hoteliers und ihre Mitarbeitenden besitzen eine hohe Bereitschaft zu aussergewöhnlicher Dienstleistung. Sie bemühen sich täglich mit Empathie und Flexibilität, ihre Gäste zu erfreuen und zu überraschen. Dafür braucht es stets das per­­­­sönliche Vorbild, innerbetriebliche Qualitätsstandards und regelmässige Schulungen. Wichtig ist auch die Befähigung aller, spontan und eigenverantwortlich zu Gunsten des Gastes zu handeln.


Bei den allermeisten Gästen erntet man da­­für Dankbarkeit. Manchmal werden aber die erbrachten «Extrameilen» nicht genügend honoriert. Dies geschieht nicht aus böser Absicht, sondern aufgrund mangelnder Information. So bekommen viele Stammgäste nicht mehr mit, von wie viel Entgegenkommen sie bereits profitieren – und halten dies mit der Zeit schlicht für normal. Da gilt das Motto: «Tue Gutes und rede darüber.»



3. Haben die Gäste Sonder­wünsche, die wir erfüllen können, die aber ihren Preis haben?

In allen Hotelkategorien äussern Gäste Bedürfnisse, deren Erfüllung den Rahmen der inbegriffenen Zusatzleistungen sprengen. Wo diese Grenze liegt, hängt vom Be­­trieb und dem Ermessensspielraum der Lei­tung ab. Auch da realisieren die Gäste oft nicht selbst, mit wie viel höherem Aufwand eine zusätzliche Leistung verbunden ist. Diese soll man nach Möglichkeit er­brin­­gen, doch sich nicht scheuen, offen und ehrlich auf entstehende Mehrkosten hinzuweisen.


Beispiel

Gast: «Wenn ich den Saal jetzt sehe, bereue ich, dass wir uns für runde 8er-Tische entschieden haben, statt langer Tafeln. Können Sie das noch ändern?»

Hotelier: «Selbstverständlich ist das möglich. Wir würden dafür zu viert ungefähr zwei Stunden brauchen und Ihnen für den zusätzlichen Aufwand eine Pauschale von Fr. XY verrechnen. Wäre das so okay für Sie?»


Erfolgt diese Begründung selbstsicher und überzeugt, verstehen es die meisten Gäste.



4. Äussern die Gäste Erwartungen, die wir nicht erfüllen können oder wollen?

Sei es eine Veränderung der Öffnungszeiten, ein aktuell nicht vorhandenes Speiseangebot, die permanente Reservation des schönsten Tisches oder eine Preis-reduktion – kein Betrieb kann immer allen Gästewünschen entsprechen. Dies wird nicht gerne gehört, denn auch Erwachsene haben oft Mühe zu akzeptieren, dass sie etwas Gewünschtes nicht bekommen. Da ist die Formulierung dieser Absage von grosser Bedeutung. Dabei geht es nicht darum, sich zu rechtfertigen, sondern dem Gast Verständnis entgegenzubringen und mögliche Hintergründe zu erklären: «Ich wür­de Ihnen diesen Wunsch gerne erfüllen und bedauere es, Ihnen in diesem Punkt nicht entgegenkommen zu können. Der Grund ist …»

Die eigene Einstellung kritisch hinterfragen


1. «Gäste sollten doch verstehen …»

Mitarbeitende erwarten von Gästen Verständnis für eine unter erschwerten Bedingungen erbrachte Leistung oder für einen Service, der über das normale Mass hinaus geht. Doch Verständnis entsteht durch Wis­­sen. Bis anhin war man in der Hotellerie bemüht, das positive Gästeerlebnis nicht durch interne Problematiken zu trüben. Doch wie soll jemand verstehen, wenn man ihm wichtige Informationen vorenthält? Aus diesem Grund kann es sinnvoll sein, künftig etwas mehr «aus dem Nähkästchen» zu plaudern: «Sie haben aber früher ein viel grösseres Menü zu einem tieferen Preis angeboten.» «Das stimmt – allerdings war dieses Angebot nicht kostendeckend, sodass wir gezwungen waren, das Konzept anzupassen.»


2. «Bei uns gibt es kein Nein.»

Dieser Satz wird oft falsch interpretiert: Er heisst nicht, dass man Gästen jeden Wunsch erfüllen muss. Er heisst, dass man eine Anfrage nicht schroff ablehnt, sondern Verständnis zeigt, möglichst Lö­­sungsvarianten anbietet und triftige Begründungen bereithält.


Die falsch verstandene Interpretation führt dazu, dass sich viele Mitarbeitende ausserordentlich unwohl fühlen, wenn sie einem Gast einen Wunsch abschlagen müssen oder etwas nicht bieten können. Diese schlechten Gefühle sind unbegründet, und es gilt, sie in Empathie für den Gast, aber auch für sich selbst umzuwandeln.



3. «Ich leiste viel und lebe von positivem Feedback.»

In der Hotellerie erhält man aussergewöhnlich schnell und viel Bestätigung. Die permanent angestrebte Anerkennung wird mit der Zeit einerseits selbstverständlich, andererseits aber fast zur Droge, von der man regelmässig eine bestimmte Menge benötigt. Wird das Lob etwas weniger, löst dies Frust und Unverständnis aus.


Die Motivationslehre unterscheidet zwischen intrinsischer und extrinsischer Mo­­tivation. Intrinsische Motivation erfolgt aus der Freude an der eigenen Tätigkeit an sich. Extrinsische Motivation entsteht über äussere Faktoren wie Bestätigung, Image, Geld, Karriere.


Die extrinsische Motivation hat in der Gastronomie einen hohen Stellenwert:


«Wir sind dann gut, wenn alle Gäste zufrieden sind.»


«Wir erreichen 16 Punkte im GaultMillau.»


«Wir haben nur positive Rückmeldungen in den Onlineportalen.»


Dass in einem Betrieb permanent eine höchstmögliche Gästezufriedenheit angestrebt wird, ist wichtig und soll auch so bleiben. Gefährlich sind die innere Ab­­hängigkeit und die Gefährdung des eigenen Wohlbefindens, wenn es einmal nicht gelingen mag, einen Gast zufriedenzustellen. Entscheidend für die eigene Beurteilung und Zufriedenheit sollten vermehrt die eigene Absicht und die gemeinsame Leistung sein.



4. «Ein unhöflicher oder ungerechter Gast verdirbt mir den Tag.»

Gewisse Gäste sind weder einfühlsam noch kommunikativ geschult. Das führt dazu, dass sie, einmal verärgert, dies auch in verletzender und belehrender Art äussern:


«In einem Hotel Ihrer Kategorie sollte das selbstverständlich sein.»


«Annullationsbedingungen? Also ein bisschen Solidarität sollte man als Gast schon erwarten dürfen.»

«Sie können dies momentan nicht bieten? Dann erwarte ich einen Rabatt. Schliesslich können Sie froh sein, dass wir Gäste überhaupt kommen.»


Solche Äusserungen lösen spontan negative Gefühle aus. Es gibt verschiedenste Strategien zum Umgang mit derartigen Be­­merkungen. Beispielsweise ist es hilfreich, sich im Gespräch ausschliesslich auf den sachlichen Inhalt zu konzentrieren und sich zu bemühen, die angriffige Form der Aussage möglichst zu überhören.


Fazit

In der aktuellen gesellschaftlichen Situation treffen hohe Gästeanforderungen auf stark geforderte Führungskräfte und Mitarbeitende. Da gilt es, das Team bewusst zu pflegen und der aktuellen Situation positive Aspekte abzugewinnen. Ziel ist eine selbstbewusste Gastfreundschaft auf Au­­genhöhe. Denn nur mit einer solchen Haltung wird die Hotellerie auch zukünftig für junge Menschen attraktiv sein.




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Autorin: Monica Schori

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Die Autorin

Monica Schori ist Trainerin, ­Beraterin, Mediatorin und Inhaberin der Monica Schori & Partner GmbH in Küsnacht (Zürich). Ihr Spezial­gebiet ist die Gas­tronomie und die Hotellerie. Zu ihren Kunden ­gehören bekannte Schweizer Hotels und Gastronomiebetriebe.

schori@bluewin.ch

monica-schori.ch





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