Vor 30 Jahren war Piero Tenca Mitgründer des Schweizer Sommelier-Verbandes ASSP. Seit 22 Jahren ist er Präsident der rund 1400 Mitglieder zählenden Vereinigung. Der Tessiner hat in seiner Karriere viele Sommeliers gefördert, begleitet und zum Ziel geführt. Am ausgezeichneten Image, das der Sommelier-Beruf seit der Gründung der ASSP 1993 erreichte, ist dieser «Sommelier-Kardinal» der Schweiz massgeblich beteiligt.
Die Sommellerie Helvetiens verdankt Piero Tenca sehr viel. Sein immenses Talent, sein Beziehungsnetz mit Diplomatie und Kommunikation zu entwickeln, kürte ihn zum «Sommelier-Kardinal» der Schweiz. Geboren wurde er am 28. Februar 1950 in Como in eine Familie mit acht Kindern. Er besitzt die italienische und die schweizerische Staatsbürgerschaft. Mit seiner Frau Lisa Luigia Tenca-Pagani hat er einen Sohn, Samuele, der in Lebensmittelwissenschaft und -technologie promovierte und auf den er sehr stolz ist. Piero Tenca schloss 1965 am Institut Leonardo da Vinci in Como seine Ausbildung ab und begann seine Gastronomie-Karriere. Danach führten ihn Arbeitsstellen in Hotels nach Deutschland, Grossbritannien und Frankreich. Er spricht fünf Sprachen und ist in der internationalen Sommellerie ebenso bekannt wie die Sommelier-Weltmeister aus der Schweiz.
Im Tessin hatte er die Gelegenheit, sich als Gastgeber im Ristorante Motto del Gallo, einem mit Michelin-Stern und 17 GaultMillau-Punkten ausgezeichneten Haus in Taverne zu profilieren. Zuerst als Mieter und Maître d’hôtel und ab 1988 zusammen mit den Gebrüdern Nico und José De La Iglesia als Mitinhaber des Lokals. Dabei leistete ihm seine Frau Lisa, die ebenfalls aus der Gastronomie kam, wertvolle Hilfe. Die Erfahrung im «Motto del Gallo», mit seiner prestigeträchtigen gastronomischen Anziehungskraft, ist immer noch in seinem Herzen. Sie weckt in ihm viele Erinnerungen und Emotionen.
Liebe auf den ersten Blick
Es begann im Jahr 1980, als er zusammen mit Bruno Bernardoni, dem Besitzer und Gian Luigi Rezzonico, das alte Wachhaus aus dem Jahr 1500 besuchte, da war es «Liebe auf den ersten Blick». Schon damals versprachen sie sich, dieses Juwel zu erhalten und in ein Restaurant umzuwandeln. Tatsächlich ist es bis heute so geblieben, nachdem es von seinen treuen Mitarbeitern übernommen wurde. Das «Motto del Gallo» wurde für viele Tessiner Familien zu einem Ort des Feierns und der Festlichkeit. Grosse Persönlichkeiten, Politiker, Könige und Adelige, Schauspieler und Sänger aus der ganzen Welt brachten dem Restaurant Prestige. Noch heute klingelt sein Handy, wenn ein treuer Kunde einen Tisch in der Taverne reservieren möchte. Oder man trifft jemanden, der ihn an die Freude über eine wunderbare Zeit erinnert. «Dann empfinden Lisa und ich grosse Zufriedenheit», sagt er mit Wehmut und Stolz.
Weltenbummler für den Wein
Der Schweizer Verband der Berufssommeliers (ASSP) entstand 1993 durch den Zusammenschluss der bereits bestehenden Verbände CSCH in Genf seit 1980, GSS in Lugano seit 1985 und ASMD in Zürich seit 1989. Seine brillante, rasante und in mancher Hinsicht aussergewöhnliche Karriere führte ihn vom Gründer 2001 zum nationalen Präsidenten der «Association Suisse des Sommeliers Professionnels». Die Welt des Weins und der Gastronomie hat ihn zu dieser herausragenden Persönlichkeit gemacht, die sich durch Professionalität und Leidenschaft auszeichnet. Er wurde aufgrund seiner vielfältigen Verpflichtungen bei der internationalen Repräsentation der Schweizer Sommellerie zur Unterstützung der Schweizer Kandidaten bei Wettbewerben in Europa, Asien und Amerika zum Weltenbummler.
Piero Tenca ist im Laufe seiner Karriere mit einer Vielzahl von wichtigen Personen in jedem gesellschaftlichen Kontext in Kontakt gekommen. Dazu gehören zum Beispiel die königliche Familie von Savoyen, der Schah von Persien, die Herrscher von Bahrain und Baron H.H. von Thyssen. Prominente Unternehmer wie die Agnellis und die Borges aus Portugal; illustre Namen auf dem «Weinplaneten» wie Marchesi Antinori und die Rothschilds, Sandro Pertini aber auch der deutsche Bundeskanzler Kohl oder die britische Premierministerin Margaret Thatcher. Renommierte Köche wie Angelo Conti Rossini und Fredy Girardet sowie Sportler wie Franz Beckenbauer. Bekannte Journalisten wie Enzo Biagi und Philippe Daverio. Sänger, Schauspieler und Opernkünstler wie Mina, Rita Pavone, Al Bano, Caterina Valente, Mario Del Monaco, Segovia, Ugo Tognazzi, «Sandokan» (Kabir Bedi), Felice Filippini sowie den mit Ehrendoktoraten überhäuften Arzt und kurzzeitigen italienischen Gesundheitsminister Umberto Veronesi sowie den Nobelpreisträger Renato Dulbecco.
Viele Preise und eine Bergspitze
Zahlreiche prestigeträchtige Auszeichnungen gehören zu seinem Palmares wie der «Prix Cartier» im Jahr 1996, der Grand Master of Italian Catering Award 2006, die Auszeichnung «Cavaliere del Lavoro-Ordine della Stella della Solidarietà Italiana», für seine langjährigen Aktivitäten zur Förderung der italienischen Ess- und Weinkultur im Jahr 2009, der Titel eines Ehrensommeliers des italienischen Berufsverbands der Sommeliers und 2018 den des «Cavaliere dell’Ordine enogastronomico di Santa Marta» von AMIRA und 2019 die Ehrung zum Offizier des Ordens «Stella d’Italia» durch den italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella sowie im 2019 den Lifetime Achievement Award von «Ticino Wine». In der Leventina bei Biasca im Tessin steht der «Pizzo Tenca» mit 3035 m ü. M. den er mit Sicherheit nie bestiegen hat. Dennoch bleibt Piero Tenca eine Bergspitze der Schweizer Sommellerie und Gastronomie.
«Der Sommelier muss ein bescheidener Botschafter der Produzenten sein»
Piero Tenca, sind Sie ein Gefühls- oder Kopfmensch?
Ich bin ein Mensch, der an Gefühle glaubt. Ich handle nicht nur mit dem Kopf.
Welche Gerüche machen Sie glücklich?
Ein Spaziergang im Wald macht mich glücklich, wenn ich die intensiven Düfte von Moos, Gras und harzigen Kiefern wahrnehme.
Welchen Titel hätte Ihrer Biografie?
«Meine schönsten Erinnerungen»
Welchen Geschmack verbinden Sie mit Ihrer Kindheit?
Die Süsse einer Zabaglione, zubereitet von meiner Mutter Lucia an einem Festtag in der Familie.
Was wollten Sie als Kind nie essen?
Die überreifen Tomaten aus dem Familiengarten und Apfelmousse.
Was ist Ihre Lieblingsspeise?
Kalbshirn gebraten, Gams in Salmi, Gemspfeffer Salmi, Kutteln, im Ton gegartes Perlhuhn.
Was können Sie am besten kochen, bei dem Sie oft Komplimente erhalten?
Lasagne, Minestrone, Polenta und Pilze.
Was war Ihr erstes prägendes Weinerlebnis?
Als Kinder nahmen wir an der Weinlese unseres Onkels in Tremezzina am Comersee teil. Ein wunderbares Erlebnis, mit den Füssen im grossen Bottich beim Pressen dabei zu sein.
Welchen Wein haben Sie immer vorrätig?
Piemontesische Weine.
Welcher junge Winzer beeindruckt Sie?
Mattia Bernardoni, der Neffe von Claudio Tamborini.
Welche Weinpersönlichkeit hat Sie am meisten beeindruckt?
Als ich Baronesse Philippine de Rothschild auf ihrem Weingut vorgestellt wurde.
Was erwarten Sie von einem guten Sommelier?
Der Sommelier muss ein bescheidener Botschafter der Produzenten sein, Lager und seine Weine genau kennen.
In welchem Lokal haben Sie die beste Wein-Speisen-Kombination erlebt?
Im Hôtel Castello del Sole in Ascona mit dem Sommelier Sergio Bassi.
Welches Erlebnis mit einem Sommelier vergessen Sie nie?
Die grösste Emotion mit Paolo Basso beim Concours ASI Meilleur Sommelier du Monde in Tokio 2013, ein grosser Sieg für Paolo und auch für die kleine Schweiz.
Was war der beste Wein Ihres Lebens und wo haben Sie ihn getrunken?
Ein Château Lafite Rothschild 1959 mit einem königlichen Gast im Il Motto del Gallo di Taverne – ein Michelin-Stern und 17 GaultMillau-Punkte. Es war ein Abend vor dem Kamin, es schneite draussen und der Herrscher bat mich, mit ihm etwas zu trinken, das Wunder wurde wahr.
Welcher Wein ist auch preislich eine Sünde wert?
Ein Solaia Tenuta Marchesi Antinori, ein Barbaresco oder Barolo von Angelo Gaja.
Wie würde Sie sich als Sommelier-Präsident beschreiben?
Dass ich eine strenge, aber positive Hand habe und viel kontrolliere.
In welchem Restaurant sind Sie immer wieder Gast?
Im Grotto Pojana in Riva San Vitale, weil die Spezialitäten Tradition und Echtheit verkörpern.
Welcher Koch hat Sie am meisten beeindruckt?
Franck Giovannini im Hôtel de Ville in Crissier, ein mutiger, fähiger, innovativer Charakter, voller Ideen, bescheiden. Er schenkt mit seiner Küche magische Momente.
Wie lautet Ihr Lebensmotto?
Verliere nicht den Mut bei den ersten Schwierigkeiten des Lebens: Weitermachen, nicht aufgeben.
Was war die mutigste Entscheidung in Ihrem Leben?
Ein Restaurant zu eröffnen und es – mit meiner Frau Lisa an der Seite – mit Weisheit und Geschick zu führen.
Was macht Sie süchtig?
Ich liebe Krustentiere und Innereien.
Was sagen Sie, wenn Sie begeistert sind?
Ich sage mir, Piero, du schaffst es, wie immer!
Welches Talent, von dem niemand weiss, besitzen Sie?
Zu wissen, wie man geduldig zuhört, auch wenn man keine Zeit hat.
Was können Sie nicht so gut?
Einen Berg besteigen sowie auf den Rat meiner Frau Lisa hören.
Was ist der beste Rat, den Sie je erhalten haben?
Im «Motto del Gallo» einen Hahn im Hühnerstall zu halten.
Was war Ihr schönstes Ferienerlebnis?
Die grandiose Stille in der Sahara.
Was ist das beste Buch, das Sie gelesen haben?
Ich habe eine Leidenschaft für Geschichtsbücher im Allgemeinen und alte Bücher über Weine und Produzenten, die ich auf dem Markt in Nizza finde.
Wer ist Ihr Lieblingsmusiker?
Lucio Dalla und sein Lied Caruso.
Wie verbringen Sie Ihre Freizeit am liebsten?
Lesen, spazieren gehen, Zeit mit Lisa verbringen, mit unserem Sohn Samuele und seiner Frau Veronica und unseren Enkelkindern Edoardo und Beatrice.
Was hat Sie in letzter Zeit emotional sehr berührt?
Der berufliche Aufstieg meines Sohnes Samuele, der Unternehmensleiter wurde.
Gibt es etwas, dass Sie unbedingt noch erleben wollen?
Trompete spielen zu lernen von einem grossen Meister.
Was war Ihr grösster Erfolg als Präsident?
Die Eidgenössische Anerkennung des Sommelierberufs. Auf Bundesebene wurde der von der Eidgenossenschaft unterstützte Studiengang Brevet Fédéral Suisse etabliert.
Auf welche Leistung sind Sie am meisten stolz?
In den 90er-Jahren gründete ich mit Sommelier-Kollegen die Association Suisse des Sommeliers Professionnels. Drei regionale Verbände wurden zum nationalen ASSP-Verband zusammengeführt, der von der ASI mit Sitz in Paris anerkannt wurde. Heute sind 70 Nationen bei der ASI dabei.
Gibt es etwas, was Sie bereuen?
Dass ich aus Zeitgründen nicht in der Lage war, meiner Familie und meinem kleinen Samuele so nahe zu sein, wie ich es mir gewünscht hätte. Samuele ist jetzt 51 Jahre alt.
Welche positiven Eigenschaften schätzen Sie am meisten bei Menschen?
Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und gesunde Diskussion.
Welches Land hat sich in der Sommellerie in den letzten Jahren
am meisten entwickelt?
Italien, dank der grossartigen Arbeit, die Giuseppe Vaccarini seit über 50 Jahren für junge Menschen leistet mit Schulungen in ganz Italien leistet. Giuseppe Vaccarini ist Präsident der ASPI, der einzigen von der globalen ASI anerkannten Vereinigung in Italien.