Bordeaux – ein Klassiker in der Krise oder doch ein Evergreen?

Ein Dienstagabend im Februar auf Schloss Versailles; die Union des Grand Crus de Bordeaux lud zum Abschluss der jähr­lichen Fachmesse Vinexpo in die Galerie des Batailles. Deren Wände zieren opulente Ölgemälde, die die grossen Schlachten der Grande Nation darstellen. Doch auch die Eröffnungsrede erinnert eher an eine Schlacht als an einen Abend der bevorstehenden Genüsse.

In Bordeaux ist das Wort «Krise» omnipräsent. Der chinesische Markt hat sich nach Covid noch nicht er­­holt. Der Konsum in Europa ist konstant rückläufig. Die Europäische Union stellte letztes Jahr 160 Millionen Euro zur Verfügung, um 2,5 Millionen Hektoliter überschüssigen Wein zu destillieren.

Schaut man sich die Preisspirale der namhaften Châteaux der letzten Jahre an, mag dies überraschen. So schnellten die en Primeurs Preise seit 2020 permanent nach oben, was letztes Jahr mit einem zurückhaltenden Einkauf der weltweiten Branche quittiert wurde. «Bordeaux Bashing» ist gerade bei jüngeren Weinfachleuten ein Thema, gilt die Region für viele doch als behäbig, wenig umweltfreundlich und durch das be­­sondere System des Place de Bordeaux als zu weit vom eigentlichen Konsumenten und seinen Bedürfnissen entfernt.

Doch ist dem wirklich so? Im letzten Jahrzehnt stieg die Quote der nachhaltig zertifizierten Weinberge von 35 auf 75 Prozent. Zunehmend mehr Châteaux investieren in Öno-Tourismus und suchen den direkten Kontakt zu ihren Kundinnen und Kunden, statt sich wie früher vollständig auf die Négociants zu verlassen. Die diesjährige en Primeurs Kampagne des 2023er-Jahrgangs erfreute mit Preisnachlässen von im Schnitt einem Viertel, bei manchen Spitzengewächsen wie Mouton Rothschild sogar von mehr als einem Drittel im Vergleich zu 2022.

Ein Blick auf die Restauranttische und Weinkarten der Schweiz, vor allem in Zürich, offenbart, dass wir im internationalen Vergleich eine Bordeaux Hochburg sind und sich die bordelaiser Rebensäfte weiterhin grosser Beliebtheit erfreuen. Es lohnt also, sich weiterhin mit Bordeaux zu beschäftigen. Gerade im Bereich der Cru Bourgeois oder unbekannteren Châ­teaux lassen sich grandiose Schnäppchen machen, die eine Freude im Offenausschank sind.

Noch ein Tipp: Die Top bewerteten Jahrgänge, wie 2015, 2016, 2019, 2022, sind ideal zum Einlagern. Doch zum Genuss in jungen Jahren sind die Jahrgänge, die in deren Schatten stehen, oft erschwinglicher und auf Grund sanfterer Tannine angenehmer und somit besser für die Gastronomie geeignet. Gerade 2012, 2014 und 2017 sind im Moment eine wahre Freude.


Marc Almert, ASI Best Sommelier of the World 2019 Stellvertretender Geschäftsführer Baur au Lac Vins Chef Sommelier Baur au Lac

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