Kooperation als Führungsprinzip

Der VDH-Unternehmertalk bei HUG in Malters fand am 19. Oktober 2023 statt.
Das Thema war «7 Dimensionen der Nachhaltigkeit – haben wir eine Wahl?»
Zum einen sprach die Co-Geschäftsleiterin Anna Hug, zum anderen hat Simone Durrer-Merkle als Leiterin Nachhaltigkeit durch den Abend geführt. 



Die Vorträge und die Diskussionen da­­nach haben mich zum Nachdenken angeregt. Die beiden Frauen in leitenden Positionen wirkten authentisch und herzlich. Die Botschaften, die sie zu den Themen Nachhaltigkeit, Mitarbeiterführung und Co-Geschäftsleitung aussprachen, kamen von Herzen. Allgemein fühlte ich, dass das Credo der HUG Familie: «natürlich und ehrlich» in der DNA des Unternehmens verankert ist.

Aufteilung der Bereiche nach Stärken
Anna Hug und Marianne Wüthrich Gross teilen sich die Geschäftsleitung und leben auf oberster Managementstufe vor, was bei HUG selbstverständlich ist: ­Flexible Arbeitszeitmodelle. Beide arbeiten siebzig Prozent und sind für unterschiedliche Bereiche verantwortlich. Beim Unternehmertalk spricht Anna Hug davon, dass sie sich ideal ergänzen. Später lese ich in einem Interview mit einer Zeitung, dass Marianne Wüthrich Gross, die ich nicht persönlich kennenlernte, sich selbst als eher analytisch, technisch orientiert und introvertiert einstuft. Anna Hug hingegen falle es leichter, Kontakte zu knüpfen und auf Menschen zuzugehen, meint sie. Wüthrich leitet die Finanzen, die Produktion, Einkauf und Entwicklung. Hug führt das Marketing, das Personalwesen und den Verkauf. 

Kooperativer Führungsstil – Synonym für ­weiblichen Führungsstil? 
Beim Führungsduo von HUG fällt auf, dass sich die beiden Frauen mit ihren Stärken komplementieren. Sie führen ausserdem kooperativ. Entscheidung fällen sie nicht alleine, sondern beraten sich mit den jewei­ligen Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleitern oder überlassen ihnen gar die Entscheidung. Credo ist: Dort wo das Wissen ist, wird entschieden. In einer hochkomplexen globalisierten Welt macht dieser Führungs­stil in meinen Augen Sinn. Es ist unmöglich für eine einzige Führungskraft über alle Informa­tionen zu ­verfügen, um nachhaltige Entscheidungen treffen zu können. Bedürfnisse verschiedener Stakeholder werden beachtet und das zu lösende Problem wird aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Ist diese abwägende Problembewältigung und solch ein kooperativer Führungsstil per se weiblich? 

Es gibt ihn nicht, den weiblichen Führungsstil
Forscherinnen und Forscher an der Universität Mannheim und der Hochschule Bonn sind der Frage nachge­gangen, ob gute Führung männlich oder weiblich ist. Dabei kamen sie zum Schluss, dass Frauen und Männer praktisch gleich gute Führungskräfte sind und es nur marginale Unterschiede im Führungsverhalten gibt. Männer führten zwar tendenziell eher autoritär, neigten jedoch auch mehr zum Laissez-Faire-Führungsstil als Frauen. Mehr Regeln und klare Führungsworte gäbe es eher in frauengeführten Unternehmen. Dann jedoch oft mit den Methoden eines kooperativen oder karitativen Führungsstils, so zu­­mindest gemäss meiner Erfahrung. 

Frauen und Männer sind gleich gute ­Führungskräfte
Welcher Führungsstil bessere Ergebnisse erzielt, ist aus­serdem eine Frage des Umfelds und nicht zuletzt auch abhängig von den einzelnen Mitarbeitenden. ­Ko­­operative Stile sind in der Regel effizienter als autoritäre.

Obschon die Studie klar belegt, dass Frauen und Männer ebenbürtige Führungskräfte sind, werden Frauen als emotionaler, nachgiebiger und weniger durchsetzungsfähig eingestuft. Das Zahlenflair wird ihnen ebenfalls abgesprochen, von Männern, aber auch von Frauen. Frauen gelten hinlänglich als die «weicheren» Führungskräfte und punkten – so das Vorurteil – eher in Soft Skills als in harten Management-Themen. Es stellt sich die Frage: Warum werden Frauen als die schlechteren Manager und Führungskräfte eingestuft? 

Stereotype sind tief in unseren Köpfen drin
Die Studie hat diese Frage beantwortet: Die Wahrnehmung von Mitarbeitenden, HR-Mitarbeiterinnen, -Mit­arbeiter und Führungskräften ist von Stereotypen ge­­prägt. Weibliche Führungskräfte werden tendenziell als schlechter und nachgiebiger eingestuft. Männer werden eher mit Attributen wie ambitioniert, dominant und selbstbewusst beschrieben; Attribute, die auch heute noch zum Teil mit erfolgreicher Führung in Verbindung gebracht werden. Dieses Phänomen wird «think manager, think male» genannt und beschreibt die Tendenz, dass bei Führungskräften an Männer ge­­dacht wird. Diese Stereotype gründet auf der An­­nah­­me, dass bestimmte als männlich wahrgenommene Eigenschaften wie Durchsetzungsvermögen, Aggressivität und Unabhängigkeit eher mit Führungsrollen in Verbindung gebracht werden als weibliche Eigenschaften wie Fürsorglichkeit, Empathie und Freundlichkeit. 

Frauenquote vs. Frauenförderung
Braucht es also eine Frauenquote für Führungspositionen? Ich spreche bewusst nicht von Frauenförderung. Denn das Wort Frauenförderung würde indizieren, dass Förderung nötig wäre. Die Statistiken zeigen, dass die 25- bis 44-jährigen Frauen den Männern in Bezug auf Hochschulabschluss in nichts nachstehen. Managementkompetenz, Fachkompetenz, Führungskompetenz und Sozialkompetenz liegen weiblichen Führungskräften genauso wie den männlichen. Ob­­jektiv betrachtet ist es also nicht eine Frage des biologischen oder sozialen Geschlechts, welcher Führungsstil angewendet wird oder wie gut die Person führt. Sondern eine Frage des Persönlichkeitstyps und welcher Stil in welchem Umfeld angewendet wird.

Ausprägungen der Persönlichkeit sind ­ausschlaggebend
Dass sich die Co-Geschäftsleiterinnen Anna Hug und Marianne Wüthrich Gross so ideal komplementieren, erinnert mich an die DISG-Persönlichkeitstypen. Nach denen versuche ich meine Teams zusammen zu stellen, damit sie wirkungsvoll zusammenarbeiten können. Unsere Persönlichkeit ist meist eine Mischung aus mehreren Farbtypen: Gewisse Schwächen können mit Selbstreflexion und Persönlichkeitsentwicklung ab­gemildert werden. Genauso gut können wir uns positive und nützliche Eigenschaften der anderen Farben aneignen. Wir können lernen, wie wir mit den unterschiedlichen Farbtypen am gewinnbringendsten kommunizieren können.

Führungsstile im Wandel der Zeit
Was wir also bei der Co-Geschäftsleitung von Anna Hug und Marianne Wüthrich Gross sehen sollten, ist dass sie ihre Stärken ergänzend in die Führung einbringen. Gleichzeitig ist die jetzige Geschäftsführung nicht besser als die vergangene. Doch ist sie vermutlich in Anbetracht der komplexen Wirtschaftssysteme, in denen sich Unternehmen heute bewegen, an die heutige Zeit angepasst. Kooperative Führungsstile sind bei der Schnelllebigkeit, Internationalität und dem hohen Technologisierungsgrad vieler Wirtschaftsunternehmen im Vorteil gegenüber autoritären Führungsstilen. 

Ich glaube, das hat mich beim Unternehmertalk so in­­spiriert. Diese Selbstverständlichkeit, die Verantwortung zu teilen. Herausforderungen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, die Bedürfnisse aller Stake­holder in die Entscheidungsfindung miteinfliessen zu lassen. Dieser Führungsstil wirkt harmonisch, nachhaltig und vernünftig auf mich. Und ja – auch ehrlich und natürlich. 

 

Catharina Schwarze kommt ursprünglich aus ­Bremen. Sie hat nach der Matura die ­Hotelfachschule in Luzern und später das ­Nachdiplomstudium zur dipl. Hotelmanager/in NDS abgeschlossen. Seit 2021 ist sie im Vorstand der VDH – Vereinigung diplomierter Hoteliers-Restaurateure. Nach vielen Jahren in der Gastronomie und Hotellerie, in Barcelona, im Tessin und in Bern, hat sie 2019 in den ­Grosshandel gewechselt und ist bei der Transgourmet Schweiz AG als Marktleiterin in der ­Prodega Bern gestartet. Seit 2022 ist sie Geschäfts­führerin der Prodega Dübendorf.

Zurück zu den Artikeln