Erfolgsrezepte für Privat-Hoteliers?

Erfolgsrezepte für Privat-Hoteliers?

Das Grand Resort Bad Ragaz hat sich als führendes Wellbeing & Medical Health Resort Europas positioniert. Auf dem Bürgenstock entstand ein weiteres, modernes Medical Spa-Hotel. Hotelexperten sind sich einig: Medical Wellness und der Gesundheitstourismus ganz allgemein sind ein Trend und ein Erfolgsrezept. Doch eignen sich Gesundheitskonzepte auch für kleine Privathotels?





Die Autorin


Hildegard Dorn-Petersen ist eine der renommiertesten Expertinnen für Wellness-Fragen in der Hotellerie. Sie verfügt über eine fundierte ­Aus­bildung und langjährige Berufs­erfahrung im Hotelfach. Sie ist seit 1996 Mitglied im Deutschen ­Wellness ­Verband und erhielt als eine der ersten Expertinnen die ­Zertifizierung als «Autorisierter ­Consultant» (DWV).



Im Frühling 1912 kam der deutsche Romancier Thomas Mann erstmals nach Davos. Er besuchte seine Frau Katia, die im Wald-Sanatorium ein Lungenleiden ku­­riert hatte. Im Davos vor 100 Jahren traf sich am Vorabend des ersten Weltkriegs ein buntes Völkchen – vom Künstler bis zum Adeligen. Viele kämpften nicht nur sinnbildlich ums Überleben, sondern um ihr eigenes Gesunden. Dieses Milieu in­­spirierte Thomas Mann zu seinem 1924 veröffentlichten Roman «Der Zauberberg.»


Die Faszination des Zauberbergs wirkt noch heute nach – nicht nur in Davos. An zahlreichen anderen Orten der Schweiz sind im letzten Jahrhundert Kurhotels entstanden, die sich zu ihrer Zeit grosser Be­­liebtheit erfreuten, mittlerweile aber selbst kränkeln oder sogar schliessen muss­ten. Unverändert kommen immer noch viele Gäste in die Schweiz, um etwas für ihre Gesundheit zu tun.


Vorbild Grand Resort Bad Ragaz


Das Grand Resort Bad Ragaz erzielt seit vielen Jahren satte Gewinne – unter anderem mit Medical-Spa-Angeboten. Es zahlt sich offensichtlich aus, dass sich das Re­sort frühzeitig als «führendes Wellbeing & Me­dical Health Resort Europas» positioniert hat. Der Erfolg basiert auf zwei tragenden Säulen: dem Grand Resort, in dem das Spa ein wichtiger Bestandteil ist, und dem Medical Health Center. Man praktiziert in Bad Ragaz eine strikte Trennung von Hotellerie und Medizin.


Was ist ein Medical Spa Resort?

Medizinische Spas, manchmal auch als Med-Spas oder Medical Spa Resorts bezeichnet, kombinieren medizinische Verfahren, die normalerweise in einer Arztpraxis durch­geführt werden, mit der Erlebniswelt eines Wellnessbereiches. Ein be­­son­derer Schwerpunkt liegt auf ­Anti-Aging-Behandlungen. Tatsächlich können medizinische Spas auch nicht-chirurgische Anti-Aging-Be­hand­­lungen anbieten, die früher nur in Arztpraxen durchgeführt ­wurden. In einigen Ländern gibt es jedoch die Anforderung, dass medizinische Spas von qualifiziertem ärztlichen Personal betrieben werden müssen. Spa-­Des­tinationen sind eher medi­zi­nisch ­orientiert und bieten zum ­Bei­­spiel: Entgiftung, Stoffwechseloptimierung (Optimierung der Fettverbrennung des Körpers, Energie-Erzeugung), medizinische Gewichtsabnahme und Kuren nach Krebserkrankungen.


Beispiele für medizinische Spa-Behandlungen

Medizinische Spa-Behandlungen ­können Folgendes umfassen: korrektive medizinische Hautpflegeprodukte; Verfahren zur Behandlung von Linien, Falten, Sonnenflecken, ­schlaffer Haut, Verlust von Gesichtsvolumen und anderen unerwünschten Zuständen der alternden Haut. Laser-Haarent­fernungs-Behandlungen sowie Venen-, Narben- und Schwangerschaftsstreifentherapien werden ebenfalls angeboten.


Spa-Medizin: Die Verbindung zur traditionellen Medizin

Während die westliche medizinische Praxis Symptome behandelt, ist es die Komplementär- und Alternativmedizin (CAM), die dazu beigetragen hat, die Verbindung zwischen Medizin und Spas herzustellen. CAM-Behand­lungen und -Kuren können Chiro­praktik, Akupunktur, Kräutertees und -lotionen, Ernährungsumstellungen sowie Meditation umfassen.




Über 90 Prozent Auslastung – dank Medical Wellness


Ganz anders sieht das der Hotelier Christian Lienhard. Ihm wurde in Davos etwas vom «Zauberberg» in die Wiege gelegt. 1994 kam er ins Appenzellerland und baute in über 25 Jahren das «Hotel Hof Weissbad» auf. Lienhard machte daraus eines der besten und erfolgreichsten Schweizer Hotels: 90 bis 98 Prozent Auslastung. Eindrücklich. Besonders stolz ist der Vollblut-Hotelier darauf, dass von rund 200 Mitarbeitenden 160 bis 180 aus der Region stammen. Aus Überzeugung führt er das Haus gemeinsam mit einem Kader-Team und flacher Hierarchie. Fast überflüssig zu erwähnen: Der Franken-Crash von 2015 und die Pandemie von 2020/21 sind an ™ «Hof Weissbad» fast unbeschadet vorbeigegangen, denn 96 Prozent der Gäste kommen aus der Schweiz, davon rund 60 Prozent aus dem Grossraum Zürich.


Hotel und Medizin gehen Hand in Hand …


Das von Christian Lienhard und seinem Team entwickelte Gesundheitskonzept ist zeitlos und innovativ zugleich – und deshalb so erfolgreich. Zum ganzheitlichen Ansatz gehören Ernährung, Bewegung und Entspannung, aber auch gelebte, traditionelle Werte und die Einbindung der Angebote in die Region. Hier gehen Hotel und Medizin unter einem Dach Hand in Hand. Neben dem Hotel und einer neuen Lodge gehört zu «Hof Weissbach» eine ­Klinik mit 18 Zimmern, insbesondere für orthopädische Rehabilitation. In diesem Gesundheitszentrum wirken ein Chefarzt, mehrere weitere Ärzt:innen und ein Team von rund 60 Mitarbeitenden.




Die Lanserhof-­Gruppe


Der Lanserhof steht seit über 30 Jahren für eine innovative Vitalmedizin und ist mit seinem Konzept eine in Europa vielfach ausgezeichnete medizinische ­Institution. Das «Lans Med Concept» ist eine Symbiose aus traditioneller Naturheilkunde und modernster Medizin. Bereits 2012 wurde das Stammhaus in Lans im Tirol durch das ambulante Gesundheitszentrums «Lans Medicum» in Hamburg ergänzt. Im Januar 2014 eröffnete der Lanserhof auch am ­Tegernsee (Bayern). Im September 2015, 2016, 2017 und 2018 wurde das Haus im Rahmen der World Spa Awards zum «World’s Best Medical Spa» ausge­zeichnet. Im Januar 2017 eröffnete der Lanserhof Lans nach Umbau und ­Erweiterung um einen Neubau, einem Meerwasserpool und einer Kältekammer wieder. Im Juni 2019 eröffnete Londons erstes Medical Gym. Der «Lanserhof at The Arts Club» entstand in Partnerschaft mit dem renommierten «Members Club The Arts Club» und öffnete seine Türen in London (Mayfair). Weiter ist mit dem Lanserhof Sylt Anfang 2021 der erste Lanserhof am Meer entstanden.


Die Landerhof-Gruppe erhebt den Anspruch, «der europäische Marktführer in der modernen naturheilkundlichen Medizin» zu sein (eine Form der alternativen Medizin, die eine Reihe von pseudowissenschaftlichen Praktiken einsetzt, die als «natürlich», «nicht-invasiv» und zur Förderung der «selbstheilenden Medizin» bezeichnet werden).




Medical Wellness für kleine -Privathotels?


Was aber können kleinere Hotels tun, die mit präventiven Angeboten etwas für die Gesundheit ihrer Gäste tun wollen? Sie haben laut Christian Lienhard «eine gute Chance, denn sie können schnell reagieren und entscheiden.» Wichtig sei, so Lienhard, das richtige Commitment: «Nur wer sich konsequent für eine Zielgruppe entscheidet, wird gewinnen.» Weniger ist in diesem Fall mehr. Hilfreich kann es sein, auf Kooperationen zu setzen. Dies reicht vom Ärzt:innen vor Ort, die nach ihren Sprechstunden noch Hotelgäste betreuen, bis hin zur Zusammenarbeit einiger Hotels am Standort, die sich im Angebot ergänzen und am Markt gemeinsam auftreten.

Hof Weissbad: Erfolg dank -Gäste-Mix


Für Christian Lienhard ist es der Gäste-Mix, der den Erfolg von «Hof Weissbad» ausmacht: Kurgäste, die länger bleiben, dazu kleinere Seminare und Wellnessgäs­te an Wochenenden. Das Haus ist der einzige zertifizierte F.X. Mayr-Betrieb in der Schweiz, doch die Programme sind rund ums Jahr auf maximal zwölf Teilnehmende begrenzt. Was Lienhard, der passionierte Hotelier, nicht mag: Stillstand. Lienhard plant für rund 40 bis 50 Millionen Franken ein neues Wellness-Zentrum mit 25 Junior-Suiten.


Neue Medical Wellness-Oase in Oberbayern


Es gibt im deutschsprachigen Raum immer mehr private Hoteliers und Investoren, die sich mit Gesundheitskonzepten positionieren wollen. Ein gutes Beispiel ist das «Premium Hotel & Health Resort Klosterhof» in Bayerisch-Gmain. Die kleine Gemeinde liegt zwischen Bad Reichenhall und Berchtesgaden, ganz in der Nähe von Salzburg. Das Haus mit 65 Zimmern und Panorama-Suiten vor malerischer Bergkulisse wurde 2016 eröffnet. Die Inhaber Henrike und Dr. Andreas Färber haben sich vor drei Jahren zur Realisierung ihrer Vision entschieden – und seitdem 19 Millionen Euro in das Projekt Klosterhof investiert. Schon vor 500 Jahren hatten die Augustiner-Mönche des Klosters St. Zeno diesen Kraftplatz für ihre Ökonomie genutzt. Die Einbettung in die Natur sowie heimische Elemente wie die Schindelfassade spielen hier eine grosse Rolle. Wie auch in «Hof Weissbad», setzt man vor allem auf Mitarbeitende und Kooperationspartner aus der Region.


Kunst, Kultur und Gesundheit


«Begeisterung leben», lautet das Motto der Hoteliers im bayerischen Gmain. Sie bauen ihr Konzept auf drei Säulen auf: Premium und anders als die anderen, Kunst & Kultur – und Gesundheit. «Artemacur» ist der Name für die übergeordnete Philosophie. Sie steht, dem Lateinischen entlehnt, für die Kunst zu heilen und – ebenso wichtig – für die Kunst, sich für das eigene Wohl zu engagieren. Ganz bewusst wird auch die bildende Kunst in das Konzept einbezogen.


Mit der von ihm entwickelten Konzept-Medizin will Dr. Färber für seine Gäste personalisierte Programme erarbeiten, die individuelle Lebenssituationen und Entwicklungspotenziale einbinden. Seine Karriere hat Färber als Lungenarzt in der Entwicklungshilfe begonnen. Seine Dissertation wurde 2008 von der Deutschen Lungenstiftung ausgezeichnet. Vielleicht ist es Zufall, dass die Veröffentlichung in der Jubiläumsausgabe «10 Jahre Deutsche Lungenstiftung» mit einem Filmplakat des «Zauberbergs» betitelt war.


Wachstum der ­Medical Spas


Die neusten verfügbaren Zahlen ­belegen: In den letzten Jahren hat die Anzahl der medizini- schen Spas leicht über dem der ­«normalen» Spas ­gelegen, obwohl die Umsatz­steigerung hinter jener der ­globalen Gesamtzahl zurück­­geblieben ist. Es gibt über 6800 medi­zinische Spas, was fast 5 Prozent der weltweiten Gesamtmenge ausmacht. Die medizinischen Spas ­generieren aber über 7 Prozent der welt­weiten Spa-Einnahmen.


Medical Spa-Trends 2021


Der globale medizinische Spa-Markt wurde 2017 auf 11,1 Milliarden US-Dollar geschätzt und soll bis 2025 27,6 Milliarden US-Dollar erreichen, was eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 12,2 Prozent über den gesamten Zeitraum bedeutet, so ein Bericht der Allied Market Research.


Wichtige Trends im Bereich Medical Spa


  • Das Segment Gesichtsbehandlung hatte 2019 einen Anteil von einem Drittel am Weltmarktumsatz;
  • Das Segment Body Shaping trug ein Fünftel zum Marktumsatz bei. Dieses Segment wurde durch die jüngsten Fortschritte in der Formung des Körpers gestärkt, zu denen verschiedene nicht-invasive Techniken gehören, die einen kürzeren Krankenhausaufenthalt und eine schnellere Genesung ermöglichen. Solche Fortschritte im Bereich Body Shaping sollten daher das Wachstum in diesem Segment weiter vorantreiben;
  • Das Segment Haarentfernung hatte 2019 einen Anteil von einem Sechstel am weltweiten Marktumsatz. Das Wachstum in diesem Segment ist auf Innovationen in der Lasertechnik zurückzuführen, die eine dauerhafte Haarentfernung ermöglichen.
  • Das Segment Tattoo-Entfernung hatte 2019 einen Umsatzanteil von rund einem Siebtel am Markt und wird von 2018 bis 2025 voraussichtlich eine Wachstumsrate von 11,8 Prozent erreichen;
  • Indien ist das am schnellsten wachsende Land im ­asiatisch-pazifischen Medical Spa-Markt und wird bis 2025 mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 14,2 Prozent wachsen;
  • Brasilien ist das am schnellsten wachsende Land im ­medizinischen Spa-Markt von LAMEA (Lateinamerika, Naher Osten und Afrika) und wird bis 2025 eine Wachstumsrate von 13,9 Prozent erreichen;
  • Im Jahr 2019 war Nordamerika der dominierende Umsatzträger, bedingt durch den wachsenden Wellness-Trend und die frühzeitige Einführung neuer Technologien in ­diesem Bereich.
  • Allerdings wird erwartet, dass der asiatisch-pazifische Raum bis 2025 die höchste Wachstumsrate erreichen wird, da die Einkommen in bevölkerungsreichen Ländern wie Indien und China steigen werden. Darüber hinaus wird der Medizintourismus auch das Marktwachstum fördern.



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