So sieht das Wellness-Universum der Zukunft aus

So sieht das Wellness-Universum der Zukunft aus

Fachbeitrag von Louis de Vilmorin, Experte für Spa- und Wellnessfragen an der École hôtelière de Lausanne (EHL Advisory Services) Hoteliers sind sich bewusst, dass der Faktor Wellness ein starker USP ist, der in den letzten zehn Jahren mehr und mehr an Bedeutung gewonnen hat. Gleichzeitig begann die gesamte Hotelbranche mit dem Aufbau einer globalen Nachhaltigkeitsstrategie, die auch die menschlichen und sozialen Dimensionen berücksichtigt. Lässt sich das Wohlbefinden der eigenen Mitarbeitenden also einfach mit dem Wohlbefinden der Gäste verbinden – oder ist es vielleicht umgekehrt?


Zum Start ihrer neuen Wellness-Strategien haben die Hoteliers den Verantwortungsbereich ihrer Spa-Direktorinnen und -Di­­rektoren radikal erweitert: Als Global Wellness Executive Officers bauen diese nun die Hospitality-Wellness-Industrie der Zukunft auf. Angetrieben werden sie dabei von der Millennium-Generation mit ihrem veränderten Lebensstil und ihrem Streben nach körperlichem und geistigem Wohl­befinden. Heutzutage können Spas zwar die meisten Wünsche einer älteren Generation erfüllen, die zusätzliche Verwöhnprogramme erwartet oder aus dem breiten Spektrum an Wellness-Resorts, Thermen, Thalasso, Medispas und Gesundheitskliniken eine spezielle, auf Gesundheit und Wohlbe­fin­den ausgerichtete Destination auswählt.



Gesundheitsprävention gewinnt an Bedeutung

Morgen aber ist das Zeitalter der künst­lichen Intelligenz. Diese wirkt sich direkt und subtil auf den Lebensstil aus. Sie schafft neue Krankheiten, bringt aber zu­­gleich auch Ansätze zu ihrer Behandlung hervor. Wer vernetzt ist, hat Zugang zu mehr Informationen und zu vielen Themen, gerade auch aus dem Gesundheitsspektrum. Die Medizin wird greifbarer und ist dank Fernsehen und Bildungs­websites für alle zugänglich. Dies führt unter Jugendlichen zu einem verstärkten Bewusstsein für Präventionsfragen: Statt einfach abzuwarten, bis man krank wird, sorgt man vor. Begriffe wie positive Psycho­logie, mentale Prävention sowie proaktive oder präventive Medizin prägen dieses wachsende Segment, in dem sich Hospi­tality-Branche und Wellness-Spas ideal positionieren können, um die Wünsche ihrer künftigen Kunden zu erfüllen.


In Zukunft wird die Wellness-Branche die Dienstleistungen, Angebote und Funktionen der Spas sowie der Hotels selbst übernehmen und erweitern. Damit verfügt sie über einige der wesentlichsten Schlüsselfaktoren für ein globales Wellness-Lifestyle-Angebot. Das ist keine Überraschung: In Asien gibt es heute schon viele Wellness-Destinationen, die verstärkt auf Geist und Seele ausgerichtet sind. In den USA fokussieren sich viele Anbieter auf Fitness und Natur.



Vernetzung garantiert nicht a priori Nähe

Eine erste Beobachtung ist, dass die jün­ge­re, stark vernetzte Generation in einem Um­­feld lebt, das weniger körperliche Nä­­­he zulässt. Dies im Gegensatz zur älteren Ge­­neration, die gelernt hat zu überleben, in­­dem sie sich in einer physisch aggressiveren Welt bewegte, aber auch in einer Welt, in der Gefühle eher körperlich ausge­­drückt wurden. In letzter Zeit wurde dieses Phänomen durch Corona noch verschärft – ein Beispiel: Der herkömmlichen Begrüssung mit einem Kuss ist nun ein Ende gesetzt. Körperlicher Kontakt wird zusehends ein Defizit der jüngeren Generation sein. Vor die­sem Hintergrund bieten Spa-Massagen eine einzigartige menschliche Dimension – beruhigend und entspannend. Und genau diese Spa-Tradition wird auch in Zukunft für persönliches Wohlbefinden sorgen.



Zurück zur Natur

Die ältere Generation hat die Natur zu sehr genossen und deren Ressourcen stellenweise zu sehr ausgebeutet: Mit der Luft, die wir atmen, und dem Wasser, das wir trinken und in dem wir schwimmen. Hat sie also eine Zukunft gesät, ohne die Folgen zu bedenken?

Wie auch immer: Die jüngere Generation ist besorgt und arbeitet daran, die entstandenen Schäden zu beheben. Das erklärt auch ihren Wunsch, zur Natur in ihre einfachsten Formen zurückzukehren. Bereits bei den ersten Spas – und noch mehr in der Zukunft – haben deshalb die Architekten den Mehrwert der Natur und der frischen Luft in all ihren Formen integriert – von weiten, offenen Buchten bis zu raffinierten neuen, künstlich gereinigten Umgebungen. Neben Technologien wird sich der menschliche Aspekt auch mit Hilfe von Atemtherapeuten weiterentwickeln. Und Naturerlebnisse oder experimentelle Heilverfahren werden in der Nähe organisiert und angeboten.



Mentale Belastungen beeinflussen Nachfrage

Während die jüngere Generation weniger körperlichen Strapazen ausgesetzt ist, hat sie mental mehr Herausforderungen zu bewältigen. Die vernetzte Welt hat noch nicht das Paradies auf Erden mit sich gebracht, wenngleich sie zugleich dem ­Einzelnen mehr Respekt verschafft hat. Andere Belastungen des Individuums werden ihren Tribut fordern, man denke nur an Mobbing in sozialen Netzwerken oder Stress am Arbeitsplatz – die Krankheiten der Zukunft. Kurz: Wir werden mehr psychische als physische Problematiken be­­obachten.


Wie eingangs erwähnt, wird der Lebensstil der Millennials eine proaktive Haltung in Bezug auf die Gesundheit und die präventive Medizin auf sich vereinen. Das hat zur Folge, dass sie nicht in Kliniken gehen werden, weil sie dies nicht wollen. Warum sollten sie auch, wenn sie nicht krank sind?

Die Hospitality-Branche muss sich deshalb auch nicht in eine Gesundheitsdestination verwandeln. Sie muss aber Angebote für die veränderten Erwartungen ihrer Kundinnen und Kunden anbieten. Kunden, die ein gesundes Leben führen, Krankheiten vorbeugen, Stress präventiv bewältigen, Burnouts vermeiden oder sich in Restaurants intelligent verpflegen wollen.



Technologien unterstützen personalisierte Angebote

Die Hospitality-Industrie wird ihre Customer-Journey anpassen müssen, um die richtigen Wellness-Services einzuplanen und zu integrieren. Mit Blick auf die Be­­grifflichkeiten empfiehlt es sich, statt von Diagnose besser von Einschätzung und Bewertung zu sprechen und von therapeutischen Sitzungen oder Wellness-Programmen statt von verschriebener Gesundheits­vorsorge. Beides sollte nicht mehr von Ärztinnen oder Ärzten durchgeführt werden, sondern von ausgebildeten Physiotherapeuten und anderen Fachleuten. Die entsprechenden Auswertungen werden durch den Einsatz von Fitness- und Körperscannern sowie dazugehörigen Geräten, welche zahlreiche körperliche Zustände erfassen, erleichtert. Dank «Connected Health» und der Überwachung der verschiedenen Testergebnisse lassen sich präventive Gesundheitsprogramme personalisieren. Überhaupt wird Personalisierung als Schlüsselfaktor in der Hospitality-Industrie weiter gestärkt werden.




Breiteres Expertenwissen gefragt

Nachdem die individuellen Wellness- und Fitnessprobleme identifiziert wurden, kann der Spa-Programm-Manager à la carte oder im Spa verfügbare Behandlungen anbieten, die sein Angebot mit Wellness-Dienstleistungen erweitern oder diversifizieren und von verschiedensten Experten durchgeführt werden: Osteopathen, Fitnesstrainer oder Tiefengewebetherapeuten sind in der Lage, die körperliche Fitness fachlich und menschlich kompetent zu fördern. Naturheilpraktiker, Psychologen, Relaxologen und Yoga-Instruktoren leiten individuelle Sitzungen oder Gruppentreffen, die die Introspektion und Lebensorientierung fördern. Diese sorgen für mehr innere Ener­­gie, Vitalität und emotionale Balance, unterstützen das Stressmanagement und die Achtsamkeit oder verhelfen zu besserem Schlaf und Erholung.



Positionierung über gesunden Genuss

Unangemessene oder schlechte Essgewohnheiten lassen sich ebenfalls vermeiden: Dabei hat die Hospitality-Branche die Möglichkeiten – wenn nicht sogar die Pflicht –, auf die Vorteile einer kulina­rischen Positionierung zu achten und darüber zu kommunizieren. Genussvolles Essen und Menüs, die von Küchenchefs unter Einbezug von Ernährungsfachleuten konzipiert werden, können der ideale Weg sein, um Kundinnen und Kunden zufriedenzustellen, für die ihre Ernährung ein dauerhaftes Anliegen ist.




Fazit

Wellness wird in der Hospitality-Branche und in ihren Spas aufblühen, weil Kundinnen und Kunden dort Dienstleistungen zur Förderung von Körper, Geist und Seele erwarten werden. Es könnte gar so sein, dass sich diese für Wellness ins Spa begeben – so, wie sie für Essen in Restaurants gehen. Will heissen: Wellness wird in den Hotelbewertungen genauso wichtig sein wie Food & Beverage.

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