Ein Gourmetrestaurant mit bloss 23 Sitzplätzen im HB Zürich – die meisten davon an einem Nussbaum-Tresen – bedingt Mut und Selbstvertrauen. Der «Counter», wie er intern genannt wird, ist Teil des ambitioniertesten Projekts, das die beiden Zürcher Gastronomen Nenad Mlinarevic und Valentin Diem bisher in Angriff genommen haben. Im renovierten Südtrakt des Zürcher Hauptbahnhofs eröffneten sie vor etwas über einem Jahr die grosse, luftige «Brasserie Süd», eine angeschlossene kleine rote Bar sowie eben das elegant-vornehme Fine-Dining-Restaurant «The Counter».
Überraschender Sternesegen
Der Chef Mitja Birlo, 2022 Koch des Jahres, wurde Ende Oktober, wenige Monate nach der Eröffnung, mit Michelin-Sternen ausgezeichnet. Eigentlich hatte er nach seinem Abschied aus Vals Ende des letzten Jahres beschlossen, sich in einer Auszeit beruflich neu zu orientieren, bevor er gemeinsam mit seiner Frau Florentina ein neues Lokal führen wollte. Das Angebot, Chefs des «The Counter» zu werden, konnte das Paar jedoch nicht ausschlagen, zu verlockend waren der Ort und das geplante Lokal mit seinen Perspektiven.
«Als ich angefangen habe, über dieses neue Restaurant nachzudenken, wollte ich vor allem eine Stimmung schaffen, die zur projektierten Farb- und Materialienwelt passt», sagt Mitja Birlo. Und «Unsere Leidenschaft liegt in den Details, in der handwerklichen Kunst, die ein einfaches Produkt in einen aussergewöhnlichen Genuss verwandelt. Wir möchten mit unseren Gästen die Freude einer kulinarischen Entdeckungsreise teilen, an der Chefs-Theke oder dem Chefs-Table für sechs Personen. Das ist die Essenz unseres Berufs.» Tatsächlich ist im diskret und gleichzeitig seiner Materialität wegen üppig wirkenden Lokal alles auf ein aussergewöhnliches Erlebnis ausgerichtet. Dies als Antwort auf die Erwartung der Gäste, die einen besonderen Anlass feiern und neben Neugier und Appetit auch Lust auf Neues mitbringen. Die Gerichte, die während vier Tagen der Woche über Mittag und abends am «Counter» serviert werden, zeugen von Weltoffenheit, ohne Dogmen, mit klarer persönlicher Linie. «Mein Menü hat Einflüsse aus Thailand oder Mexiko, aber auch aus der klassischen französischen Küche», sagt Birlo.
Ausserordentlich muss der Raum sein
Die Architektin Deborah und der Innenarchitekt David von suterplus GmbH, beide mit langjähriger Gastro-Erfahrung, haben aus den Räumlichkeiten in der südlichen Ecke des Bahnhofs, die Richtung Bahnhofstrasse und Central weist, ein elegantes, grossstädtisches Fine-Dining-Restaurant geformt. Marmor, Messing, Nussbaumholz, Leder oder Alabaster sind die Materialien ihrer Wahl. «The Counter» erinnert in Bezug auf das Setting und die transparente, offene Atmosphäre an weltbekannte Konzepte in Stockholm, New York, Tokyo oder Paris. Die Gestaltung des intimen Fine-Dining-Restaurants «The Counter» erwies sich dennoch als echte Herausforderung. Wie gelingt es, anspruchsvolle Gäste für ein abendfüllendes Gourmetmenu bequem und in angenehmer Atmosphäre zu empfangen? Die Architekten entschieden sich für einen trapezförmigen Tresen mit einem angrenzenden poligonalen Tisch für sechs Personen. Von allen Plätzen an der Bar gibt es direkten Einblick in die Küche, wo zweimal täglich die zwischen fünfzehn und achtzehn (!) Gänge des Gourmetmenus vor den Augen der Gäste zubereitet werden.
Klarheit und Eleganz
Markante Messingbeschläge an der Bar- und der Sommeliertheke, schimmernde Metallvorhänge, der ausnehmend schöne Parkettboden und für dieses Projekt entworfene Leuchten aus Messing prägen das Bild. Wandappliquen aus Alabaster, wertvolle Marmorabdeckungen sowie stimmige Wandfarben bilden den zurückhaltenden eleganten Rahmen für den grossen Auftritt der Gäste.

Bautafel
Bauherrschaft: Süd AG, Nenad Mlinarevic und Valentin Diem
Textilien: 4Spaces, Zürich
Wandfarben: kt Color die Farbmanufaktur, Uster
Pakettboden: Eiche massiv mit Fries aus gedämpfter Buche, verlegt durch Kübler AG
Architektur: suterplus GmbH
Schreinerarbeiten: Hobel Genossenschaft
Metallarbeiten: Vacchio Metallbau AG
Leuchten: Design suterplus mit Vacchio Metallbau AG + DopLED-Contain
Küchenausstattung: Edgar Fuchs Schweiz GmbH
Grafik: Branders Group AG, Zürich