
Drei Hotels und zahlreiche Immobilien im Unterengadin, laufend neue Ideen, Projekte und Investitionen. 18 Millionen Franken Jahresumsatz, 75 000 Übernachtungen im Jahr und Top-Bewertungen auf den Online-Portalen: Kurt Baumgartner ist einer der erfolgreichsten und innovativsten Hoteliers der Schweiz. Kein Wunder wurde dem 53-jährigen Luzerner im November des vergangenen Jahres der Fach-Award «Hotelier des Jahres 2018» verliehen. Was steckt hinter Baumgartners Erfolgsgeschichte?
Kurt Baumgartner, wer sind Sie?
Ich bin ein begeisterter Hotelier. Trotz Schwierigkeiten, mit denen die Berghotellerie zu kämpfen hat, bin ich hoch motiviert und mit grosser Leidenschaft dabei.
Schwierigkeiten?
Ja, die Hotellerie im Unterengadin ist extrem klein strukturiert. Das heisst: Viele sehr kleine Betriebe können trotz enormem Einsatz kaum rentabel geführt werden. Kurz gesagt: Hohe Kosten und wenig oder gar kein Gewinn. Es täte dem Unterengadin gut, wenn noch ein oder zwei grosse Hotels entstünden, denn neue Hotels bringen neue Gäste auch für kleine Hotels.
Was haben Sie gegen kleine Hotels?
Überhaupt nichts! Aber Häuser, die nur über 10 oder 15 Zimmer verfügen und zusätzlich vielleicht unter einem Investitionsstau leiden, können kaum wirtschaftlich erfolgreich geführt werden. Es braucht eine gewisse Grösse, die Marktregel habe nicht ich festgelegt.
Dies zum Thema Strukturwandel in der Schweizer Hotellerie.
Ja, wir sprechen schon seit Jahren davon. Der Markt verändert sich laufend, wir müssen mitspielen und uns den neuen Wettbewerbsbedingungen stellen.
Warum kann ein kleines Hotel mit nur zwölf Zimmern in den Bergen nicht rentieren?
Moment! Es gibt Kleinsthotels, die erfolgreich sind. Denken Sie zum Beispiel an Caminada. Solche Häuser müssen allerdings glasklar in einer Nische positioniert sein. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Hunde- oder Biohotel funktionieren kann. Ich bin auch der Meinung, dass es kleine Hotels oder Gasthäuser in kleinen Dörfern braucht. Aber sie müssen klar positioniert sein. Was wir nicht brauchen: 25 Hotels in einer Region, und alle machen das Gleiche. Es gibt meiner Meinung nach drei Optionen. Erstens: klein und scharf positioniert. Zweitens: gross und Kosten zusammenlegen. Drittens: neue Konzepte auf der grünen Wiese. Unser Projekt «Flaz» in Pontresina geht ja in die Richtung. Eine Mischung aus «Motel One» und «25hours» in den Bergen.

Die Lounge im Hotel Belvédère mit Blick in die prächtige Bergwelt.
Sie wurden im November «Hotelier des Jahres 2018». Jury und Branche haben gejubelt: Endlich hat Kurt Baumgartner diesen Fach-Award erhalten! Sie gelten als besonders innovativ und kreativ. Ihr Erfolgsprinzip?
Glauben Sie mir, auch bei uns ist nicht alles perfekt. Andererseits haben wir ein Modell gefunden, mit dem man das nötige Geld verdienen kann. Damit sind wir in der Lage, Investitionen aus eigenen Mitteln zu tätigen.
Konkret: Wie verdienen Sie Ihr Geld?
Die Grösse und die Auslastung der Häuser sind wesentliche Erfolgsfaktoren. Dazu kam die Querfinanzierung zu Beginn über Wohnungen, wobei dies nachhaltig geschah. Dank moderner Infrastruktur konnten wir dann die Auslastung steigern. Ein weiterer Erfolgsfaktor sind die Kooperationen mit dem «Engadin-Bad» und den Bergbahnen.
Statt einen eigenen Wellness-Bereich zu realisieren, haben Sie sich dem «Engadin Bad» angeschlossen. Über eine Passerelle gelangen die Hotelgäste (im Bademantel) direkt ins Bad. Ein genialer Schachzug.
Ja, das Konzept ist nach wie vor erfolgreich. Ein weiterer Erfolgsfaktor: Wir haben uns nie eine Dividende ausbezahlt, sondern alle Gewinne wieder in die Häuser investiert. Wir haben unsere Linie im Vier- und Dreisterne-Segment und hatten nie Ambitionen, auch im Luxussegment mitzuspielen. Sich treu und auf dem Boden bleiben – für mich ein wichtiger Lebens- und Geschäftsgrundsatz.
Sie gehören zur raren Spezies von Privathoteliers, die (wirklich nötige, gute) Renditen erzielen und dadurch auch stets investieren können …
Auch wir hatten viel Glück. Als ich vor über zwanzig Jahren nach Scuol kam, hätte ich nie geglaubt, dass wir eines Tages drei Hotels im Dorfzentrum besitzen und führen. Die Häuser kamen genau im richtigen Moment auf den Markt. Und die Zweitwohnungsinitiative war damals noch kein Thema. Wir konnten die Wohnungen beim «Guarda Val» gerade noch bauen und die Erlöse ins Hotel investieren. Heute wäre das wahrscheinlich nicht mehr möglich.
Warum sollte ein Gast bei Ihnen buchen und nicht bei einem Mitbewerber in der Region?
Alle drei Hotels – Belvédère, Belvair und Guarda Val – sind über Passerellen und unterirdische Korridore miteinander verbunden. Der Gast erreicht alle Häuser und alle vier Restaurants über oder durch diese Verbindungen. Wir bieten dem Gast fast alles: diverse Restaurants, Bars, Smokers‘ Lounge, Sportgeschäft, Coiffeur, Vinothek, Spa-, Fitness- und medizinische Angebote im «Engadin Bad», private Spa-Räume im Hotel, Ski- und Bike-Verleih und vieles mehr …
Und das alles ist im Zimmerpreis inbegriffen?
Ja. Alle Eintritte und auch der Skipass für die Bergbahnen.

Der Eingang zum Hotel Guarda Val, einem typischen Bündner Patrizierhaus.
Wie finanzieren Sie die laufenden Investitionen?
Aus dem Cashflow. Es wäre ja keine Lösung, ständig Immobilien zu verkaufen, um das Betriebsdefizit zu decken. Das würden wir nie tun.
Kurt Baumgartner, Sie gelten inzwischen als Vorbild für die ganze Branche.
Moment! Uns geht es gar nicht so gut. Uns geht es so gut, dass wir laufend in unsere Häuser die benötigten Investitionen tätigen können.
Können Sie das in Zahlen ausdrücken?
Unsere Hotelgruppe erzielt derzeit einen Jahresumsatz von rund etwa 18 Millionen Franken – früher waren es fast 20 Millionen. Die Jahresauslastung liegt bei 73 Prozent. Früher lagen wir bei über 80 Prozent. Die Krisenjahre sind auch an uns nicht spurlos vorübergegangen. Trotzdem haben wir in schwierigen Zeiten investiert und die Kapazitäten erhöht.
Hat Kurt Baumgartner so etwas wie eine Vision, was seine Hotels betrifft? Anders gefragt: Ist es Ihr Ziel, eines Tages eine Gruppe von zehn oder mehr Hotels zu besitzen?
Nein. Was mich derzeit mehr beschäftigt als Visionen und Wachstumspläne: Wie entwickelt sich der Ferientourismus im Unterengadin und überhaupt im Schweizer Alpenraum? Wie entwickelt sich die Destination Scuol? Ist Scuol in Zukunft in der Lage, in die touristische Infrastruktur zu investieren? Hinzu kommen Fragen zu Klimawandel, Wintertourismus, Nachhaltigkeit …

Das Hotel Guarda Val verfügt über einen Innenhof, der wie ein Museum anmutet.
