Vom Duft nach frischen Tennisbällen und getoastetem Holz

Vom Duft nach frischen Tennisbällen und getoastetem Holz

Wie beschreibt man Weine spannend und für die Gäste verständlich? Die-se Frage stellt sich zunehmend, zumal die Bedürfnisse und allgemeinen Sprachgebräuche nicht nur der jüngeren Gäste im Wandel sind.

In klassischen Weinnotizen war oft von Pferdeschweiss, verwelkten Rosenblüten oder gar Katzen-Urin zu lesen. Macht das wirklich Lust auf ein Glas Wein? In Fachmagazinen liest man zudem von technischen Details wie «stark getoastetem Holz». Innerhalb der Szene legendär ist der Moment aus dem «Somm»-FilM. Der an­­gehende Master Sommelier Ian Cauble beschreibt einen australischen Riesling mit den Worten «eine Mischung aus einer frisch geöffneten Packung Tennisbälle sowie etwas frisch angeschnittenem Gartenschlauch».

Ballern für Trinken?
Hypothetisch gefragt: Ist das vielleicht einer der Gründe, weshalb viele Gäste sich vor Wein scheuen und lieber ein Bier oder einen «unkomplizierten» Cocktail bestellen? Ein Blick in die sozialen Medien zeigt, dass Weinansprache auch ganz an­ders geht – je nach Publikum und Absender. Ein im deutschspra­chigen Raum sehr erfolgreicher Influencer nutzt in seinen Storys regelmässig «ballern» als Synonym für «trinken», selbst dann, wenn es um erlesene Grand Crus aus dem Burgund geht.

Für mich persönlich bleibt eine der ersten Verkostungen mit meiner Chef-Somme­lière während der Ausbildung unvergessen. Für mich war Wein damals ein Buch mit sieben Siegeln. Ich hatte Angst, mich vor meiner Ausbilderin zu blamieren. Sie reichte mir Gläser mit gereiften Weinen und verglich diese als «Frühling» und «Herbst», oder betitelte sie als «wie der Kartoffelkeller beim Grossi». Das sprach mich als Azubi an und war für mich verständlich.

An Emotionen appellieren
Sicherlich wünschen sich Sammler klassischer Weine bei einem 1982er Grand Cru Classé eine ausführliche Degustations­notiz. Doch im Service, innerhalb der Weinkarte sowie bei Beratungen für Veranstaltungen oder im Einzelhandel (vor allem online!) sollte eine lockerere, verständlichere Weinbeschreibung Einzug halten, die stärker an Emotionen appelliert. Was macht den Ursprungsort des Weines besonders? Welches ist die Phi­­losophie oder die Lebensgeschichte der ­Winzerin? Welche Strapazen musste der Winzer in diesem Jahrgang meistern? Was sind die Hauptaromen? Wann und wozu kann ich diesen Wein am besten geniessen? Hier sind wohlgemerkt nicht nur Speiseempfehlungen gemeint, sondern auch Momente, z. B. «auf dem Sofa», «beim Apéro», «auf unserer Sonnenterrasse» etc. – In diesem Sinne: viel Freude beim Wein beschreiben!


Marc Almert riecht über den Dächern von Zürich der grossen, ­weiten Weinwelt nach.


Marc Almert
ASI Best Sommelier of the World 2019, Geschäftsführer Baur au Lac Vins Chef-Sommelier Baur au Lac

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