Liquide Anlage: Wein ist ein wahres Passion-Investment

Liquide Anlage: Wein ist ein wahres Passion-Investment

Wein war in den vergangenen Jahren eine lukrative Geldanlage. Wer vor zwanzig Jahren eine grössere Anzahl Kisten bekannter französischer Châteaus kaufte – und auf deren Konsum verzichten konnte – darf sich heute glücklich schätzen. Denn Wein ist, wie Kunst, ein Passion-Investment. 

 


Shirley Amberg

 

Attraktiv ist diese Art zu investieren, weil rarer Wein inflationsgeschützt ist. Mit jeder Flasche, die irgendwo ge­­öffnet wird, verteuert sich das stetig knapper werdende Angebot.

Wenig erstaunlich, dass die Auktionshäuser täglich unzählige Fotos von verstaubten Flaschen mit ver­gilbten Etiketten zugeschickt bekommen. Dazu die Frage, ob diese Flasche einem Reichtum verschaffen kann. Oder zumindest ein bisschen wertvoll ist.

In den allermeisten Fällen lautet die Antwort: Nein. Denn die allermeisten wirklich wertvollen Flaschen befinden sich schon lange in sicheren Händen. Die Chance, dass im Keller des verstorbenen Onkels ein flüssiger Schatz liegt, ist etwa ähnlich gering, wie dass in seiner Briefmarkensammlung die «Blaue Mauritius» zu finden ist.

Es gibt nicht viele Möglichkeiten, mit Wein Geld zu verdienen
Lediglich etwa zwei Prozent aller Weine weltweit kommen als Investment in Frage; davon stammen die allermeisten aus dem Bordeaux. Da die tatsächlich lukrativen Tropfen schnell ausverkauft sind, kann eine Subskription sinnvoll sein. Jedes Jahr, etwa Anfang April, degustieren die verschiedenen Weingüter des Bordeaux zusammen mit Spezialisten die im ver­gangenen Herbst verarbeitete Ernte. Zwischen Mai und Juli werden dann die Preise der verkosteten Weine bekannt. Die Liste der Weine in Subskription wird generell gegen Ende Juni / Anfang Juli publiziert. Anhand dieser Liste können die Weine reserviert ­werden. 

Dabei sollte auf die Punkte von Robert Parker, dem renommiertesten Weinkritiker der Welt, geachtet ­werden. Im Index der Weinbörse Livex besitzen rund zehn Prozent der Rebensäfte über 97 Punkte. Am ­interessantesten sind die Tropfen aus dem Bordeaux, die mit 99 oder gar 100 Punkten dekoriert sind. ­Entsprechend stolz ist dann jedoch auch der Preis der Flasche. 

Lohnen kann es sich allemal: Beim Auktionshaus ­Sotheby’s lag im Jahr 2013 der Durchschnittspreis für eine Flasche Wein aus dem Bordeaux bei 490 US-­Dollar. Im Handel wurden diese Weine für durchschnittlich 122 US-Dollar erworben. 

Neue Welt, zweite Wahl
Weine anderer berühmter Regionen, beispielsweise ein kalifornisches Edelcuvée, mögen vielleicht besser munden und genauso hoch bewertet sein, bleiben aber dennoch zweite Wahl. 

Der Grund dafür ist, dass in der derzeitigen Schuldenkrise die nationalen Märkte für diese Weine mehr oder weniger verloren sind. Die kaufkräftigen Asiaten ­wollen beinahe ausnahmslos Weine aus alten, traditionellen Regionen mit sagenumwobenen Weingütern, Riten und Legenden kaufen. 

Schon mancher Investor, der in Hongkong – dem wichtigsten Weinhandelszentrum Asiens – den berühmtesten spanischen Wein, den Pingus von Peter Sisseck, verkaufen wollte, erntete von den Chinesen lediglich ein verständnisloses Kopfschütteln. Das Ribera del Duero, die Region, in der die Trauben für den Pingus reifen, ist nur den wenigsten asiatischen Konsumenten bekannt. So werden viele Spitzenweine weder als Ersatz noch als Erweiterung in Betracht gezogen und stossen auf Ablehnung.

In meinen Augen muss Wein als reine Kapitalanlage etwa gleich frustrierend sein, wie wenn man sich teure Kunst in die Stube stellt, obwohl sie einem gar nicht gefällt. Um mit Wein Geld zu verdienen, braucht es also den richtigen Riecher und einen langen Atem. Es kann gut und gerne zehn Jahre dauern, bis der Wert des edlen Saftes steigt. Daher sollte stets auf die Haltbarkeit geachtet werden. Sollte es mit der Rendite nichts werden, kann der Wein immerhin noch selbst genossen werden. Sowieso sollten Passion-Investments immer von einer persönlichen Leidenschaft und Neugier, einer wahren Passion, getrieben sein.

Gefälschte Etiketten 
Wein sollte nicht aus besonders günstigen Quellen erworben werden, denn Flaschen und Etiketten werden zwischenzeitlich systematisch gefälscht. Der Wein sollte nur von autorisierten Weinfachhändlern stammen oder auf renommierten Auktionen gekauft werden. Auf Auktionen wird Wein in der Regel kistenweise verkauft. Die Weinkiste sollte darum so gepflegt wie möglich sein. Das Etikett sollte unbeschädigt sein. Ein schadhaftes Etikett mindert den Wert des Weines massiv. Neben dem Zustand der Etikette sind der Zustand der Kapsel sowie der Füllstand der Flasche von Be­­deutung. Bei der Lagerung darf nicht gespart werden. Die Weine sollten regelmässig – und mit Passion – umsorgt werden. 

Mister Parkers Punkte
Das wohl einflussreichste Weinbewertungs-Punktesystem wurde von Robert M. Parker Jr. entwickelt. Viele Weinliebhaber haben seine Bücher in den ­Regalen. Ich will ehrlich sein: Von Punkten und mit güldenen Medaillen beklebten Flaschen halte ich nicht viel. Freilich, Auszeichnungen und Punkte senken das Risiko, dass eine grausige Plörre gekauft wird. 

Robert M. Parker, Jr. wurde 1947 in Baltimore, ­Maryland, geboren. Sein Interesse an Wein begann 1967, als er einen Monat lang seine Freundin im Elsass besuchte. Diese Freundin ist nun seit fast 50 Jahren seine Ehefrau. 

Parker erregte weltweites Aufsehen, als er den Jahrgang 1982 aus dem Bordeaux als superbes Jahr aus­rief; im Gegensatz zu vielen anderen Kritikerkollegen, die der Ansicht waren, das Jahr sei zu säurearm und überreif ausgefallen. Die Debatte darüber, ob das Jahr 1982 ein alterungsbeständiges Jahr sei, dauert bis heute an. Jedoch scheint der Weinmarkt gesprochen zu haben, liegen die Preise dieser Weine doch weit über jenen der folgenden Jahrgänge. 

Parkers Urteile wirken
Robert Parkers Geschmack hat vieles verändert. Be­­sonders die Arbeit der Winzer. Produzenten reagieren auf seine Kritiken und produzieren oftmals nach seinem Geschmack: dichte, dunkle und dramatische Weine. Es ist faszinierend, in gewissem Sinne auch bedenklich, wie ein einzelner Mann es verstanden
hat, dem Weinbau seinen Geschmack zu diktieren. Dafür wurde er sogar vom französischen Präsidenten Jaques Chirac mit dem Orden der Ehrenlegion ausgezeichnet, obwohl sein Urteil einige kleine französische Weinproduzenten ruiniert hat. 

Das System Parker
Parker-Punkte werden entsprechend dem amerika­nischen Schulnoten-System vergeben, also zwischen 50 und 100 Punkten. Parker ist der Ansicht, dass die gängigeren 20er-Punktesysteme zu wenig Flexibilität bieten. Sein Grundsatz lautet zudem, einen Wein eher unter- statt überzubewerten. Die einzelnen Wertungen im Parker-System besagen:

  • 50 bis 69 Punkte: schlecht bis unterdurchschnittlich
  • 70 bis 79 Punkte: durchschnittlich
  • 80 bis 89 Punkte: überdurchschnittlich bis sehr gut
  • 90 bis 95 Punkte: hervorragend
  • 96 bis 100 Punkte: ausserordentlich

Mit einem Plus-Zeichen (+) werden Weine markiert, denen Parker zutraut, sich mit der Lagerungszeit noch besser zu entwickeln.

Mit einem Fragezeichen (?) werden Weine markiert, bei denen Parker unsicher ist, ob diese Weine in korrekter Verfassung vorgefunden wurden, sich eventuell leicht fehlerhaft entwickeln würden oder Ähnliches.

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