Zwischen Umweltbewusstsein und gutem Design

Vor kurzem wurden wir für eine nachhaltige Inneneinrichtung angefragt. Heutzutage normal, werden jetzt vielleicht viele von Ihnen denken, doch es ist anders. So eine konkrete Anfrage kam bei uns in den letzten 20 Jahren noch nie vor. Obschon das Thema nicht erst seit gestern präsent ist, scheint das Bedürfnis in der Umsetzung sekundär zu sein. Wir stellen auch fest, dass uns dieser Wunsch vor einige Fragen stellt: Welche gestalterischen Möglichkeiten bieten sich beim nachhaltigen Einrichten und Bauen? Wie viele Kosten fallen dabei an? Wann ist eine Inneneinrichtung nachhaltig? Und wenn ich hier von Nachhaltigkeit spreche, beziehe ich mich lediglich auf die Aspekte der Ökologie und Regionalität. Auf den sorgfältigen Umgang mit Ressourcen und eine Wertschöpfung, die möglichst in der Region bleibt und diese stärkt. Auf dem schweizerischen Markt gibt es aktuell einige Gütesiegel, die nachhaltige Hotellerie und nachhaltigen Tourismus auszeichnen. 

Im Jahr 2022 gab es 4095 geöffnete Beherbergungsbetriebe. 112 davon werden beim Label ibex fair stay gelistet, sind ausgezeichnet oder in der Prüfung. Der Verein Responsible Hotels of Switzerland wurde im Herbst 2021 gegründet und zählt aktuell 36 nachhaltige Hotels. Und Schweiz Tourismus hat ein eigenes Programm mit dem Namen Swisstainable ins Leben gerufen, das allen Betrieben und Organisationen des Schweizer Tourismus offensteht. Die Auszeichnung wird in drei Levels gegliedert, die den Bezug auf das Commitment zur Nachhaltigkeit zeigen. Alle diese Organi sationen haben zum Ziel, Nachhaltigkeit zu leben, aufzuzeigen und zu sensibilisieren. Speziell im Tourismus braucht es eine Symbiose, die die Bedürfnisse von Gästen, der lokalen Bevölkerung und der Umwelt in ein harmonisches Verhältnis bringt. Ein Trend, der sich stärkt und sich unter anderem der Welt des «Fast Interior» entgegenstellt.

Als Auftragnehmer stehen wir in engem Dialog mit unseren Kunden und ent wickeln Ideen und Konzepte zusammen. Entscheidend für uns ist dabei die gemeinsame  Haltung beim Thema Nachhaltigkeit. Wo soll die Nachhaltigkeit anfangen und wo sehen wir bei der Planung wie auch der Umsetzung unsere Grenzen?

«Nachhaltigkeit muss nicht  sichtbar, sondern spürbar sein.»

Wenn ich zurückdenke, was mir Lieferanten aus der Textil- und Möbelindustrie jeweils in Bezug auf die Nachhaltigkeit präsentiert haben, dann war es vielfach das Produkt ganz am Schluss. Der eine Kunststoffstuhl in der Kollektion, der aus PET-Flaschen hergestellt wurde, oder ein Vorhangstoff, der aus alten Fischernetzen gehäkelt wurde. Das Design dazu war dann meist wenig überzeugend. Jedoch funktioniert dieses «Greenwashing» nur noch bedingt. Gerade weil Nachhaltigkeit in  vielen Bereichen in aller Munde ist, wird heute genauer hingeschaut als früher. Nachhaltigkeit muss nicht sichtbar, sondern spürbar sein. Hier können wir in der Raumgestaltung weiter ansetzen. Ressource und Wirkung sollen optimal zusammenspielen, damit die Kunden und Gäste bewusst und unbewusst die Nachhaltigkeit erfahren können. Das Green Beetle Restaurant in München der «Feinkost-Käfer Gastronomie» wurde im Herbst 2021 eröffnet und ist ein anschauliches Beispiel dafür. Nachhaltigkeit wird durch und durch gelebt. Beim Essen, bei der Innenausstattung bis hin zu Labels und der Wanddekoration. 

In welchem Umfang ganzheitliche, nachhaltige Raumkonzepte umgesetzt werden können, ist eine Einstellungssache. Was wirken soll, muss von innen heraus kommen. Hier gilt es, länger und genauer hinzuschauen. Wir können nicht wie konventionell aus dem vollen Spektrum schöpfen, müssen eventuell Kompromisse eingehen. Einfach weil die Auswahl aktuell noch stark eingeschränkt ist und nachhaltige Optionen teils neu gedacht und erarbeitet werden müssen. Sensibilisierung, Achtsamkeit und ein Umdenken sind nach wie vor gefragt. Auch Fantasie und Kreativität können helfen, Altes in Neues zu verwandeln, ohne erneut kaufen zu müssen. Dabei bleiben wir neugierig und halten unsere Augen offen für Möglichkeiten, die sich  bieten. Wir sehen der Zukunft in diesem Bereich positiv und mit einem kreativen, innovativen Blick entgegen. Können wir bei Partnern, Lieferanten und Kunden eine Nachfrage generieren, wird sich das auf das Angebot auswirken. Nicht sofort, aber langfristig und damit auch nachhaltig.

 

Ivo Christow
Head of Design
krucker.swiss

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